Review: Room 29 – Late check-in mit Jarvis Cocker und Chilly Gonzales

Jarvis Cocker gibt den Märchenonkel

Jarvis Cocker ist ein großartiger Geschichtenerzähler. Die schönste Geschichte erzählt er am Ende seines neuen Bühnenprogramms Room 29, das er gemeinsam mit Kumpel Chilly Gonzales auf die Beine gestellt hat. Es ist die Geschichte eines alten Ehepaars, dem der Ex-Pulp-Frontmann in einem Restaurant in Los Angeles begegnet ist. In einer Gegend, in der sich der Zeitgeist von seiner geschmacklosesten Seite zeigt.

Room 29. Foto: Frauke Schlieckau

Eiscreme als Hauptgang

Cocker sitzt in einem Restaurant, dem einzigen Laden in der Straße, der ein gewisses Traditionsbewusstsein erahnen lässt, als ein betagtes Ehepaar durch die Tür tritt. Die beiden sind sehr stilvoll gekleidet, die alte Dame trägt ein langes Kleid und Sonnenbrille. Beide erscheinen Cocker wie die letzten Zeugen einer längst vergangenen Hollywood Ära. Er beobachtet, wie das Paar so viele Gerichte von der Speisekarte bestellt, bis der gesamte Tisch mit Tellern bedeckt ist. Und dann mit großem Genuss alles zeitgleich verzehrt, sogar die Eiscreme. Jarvis Cocker erzählt, wie gerne er hinübergegangen wäre, um sich bei Ihnen zu bedanken. Dafür, dass Menschen wie sie noch existieren. „Aber,“ so sagt er, „ich konnte nicht. Ich bin britisch, verdammt noch mal. Also habe ich stattdessen ein Lied geschrieben.“

Chateau Marmont

Es ist nur eine winzige Anekdote aus einer Reihe von Geschichten die an diesem Abend zum Besten gegeben werden. Humorvolle Geschichten voller Glamour und Einsamkeit, die sich um die Reisen der beiden Musiker drehen, vor allem aber um das Hotel Chateau Marmont, genauer genommen um das Zimmer mit der Nummer 29 und all die Ereignisse, die sich dort über die Jahre zugetragen haben.

Eine Schnittstelle zu fremden Realitäten

Ein dankbares Thema – immerhin ist das Chateau Marmont eine Schnittstelle zu fremden Realitäten und hat seit jeher Schriftsteller, Künstler und Musiker inspiriert. Und so können sich die zwei, von kurzen Videoeinspielern unterbrochen, auf einer Bühne, deren Bühnenbild natürlich den Room 29 zitiert, durch ein Repertoire an Songs und Legenden hangeln, die in ihrer Summe auch eine Hommage an jenes Hotel sind, in dem bereits ganz Hollywood zu Gast war.

Ein unterhaltsames Intermezzo

Es ist ein unterhaltsames charmantes und elegantes Intermezzo, zwischen dem selbsternannten „Genius“ am Piano, Chilly Gonzales, der melancholische Melodien beisteuert, die sofort ins Ohr gehen und Jarvis Cocker, der mit tiefer Stimme, feiner Ironie und britischem Humor durch das Programm führt. So spielerisch leicht, dass man sich des Eindrucks nicht ganz erwehren kann, dass die zwei eigentlich nur mal wieder gemeinsam abhängen wollten. An die Grenzen ihres Könnens aber gehen sie mit Room 29 nicht.

Das Album Room 29 ist jetzt erhältlich. Das ganze Konzert könnt Ihr jetzt online auf Arte ansehen.

 

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